Die BeQu-Standards

Den Qualitätsstandards liegt ein systemisches Verständnis von Beratung zugrunde, demzufolge das Beratungssystem als ein Interaktionsprozess zwischen zwei Teilsystemen – dem System des/der Ratsuchenden und dem System der Beraterin oder des Beraters – beschrieben werden kann. Dieses Beratungssystem wiederum ist eingebunden in einen organisationalen und gesellschaftlichen Kontext mit Auswirkungen auf das Beratungssystem und den Beratungsprozess und umgekehrt. Zu den organisationalen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gehören u.  a.  die  Art  der  Finanzierung,  das  jeweilige  Beratungssetting,  die  für  Beratungsdienste  zur  Verfügung  stehenden  Ressourcen,  die  Aus-  und  Fortbildung des Personals, aber auch die jeweiligen Ziele und Leitbilder der Anbieterorganisationen sowie Einflussfaktoren des Bildungssystems und des Arbeitsmarktes, um nur einige Beispiele zu nennen.

Für die Ableitung von Qualitätsstandards für die Bildungs- und  Berufsberatung  bedeutet  dies,  dass  sich  die  Qualität  von  Beratung  nicht  nur  an  Kompetenzen,  Einstellungen  und  Verhaltensweisen  der  beratenden  Person  sowie  an  Merkmalen  des  Interaktionsprozesses  bemisst,  sondern  dass auch die organisationalen Strukturen und Verfahrensweisen sowie das Handeln der jeweils verantwortlichen politischen Akteure und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen sind. Die BeQu-Standards adressieren daher auch das Handeln der für die Beratung verantwortlichen Akteure in den Anbieterorganisationen und in den jeweils zuständigen politischen Institutionen (Regierungen, Dachverbände).

Das Beratungsmodell

Systemisches Modell arbeitsweltbezogener Beratung
Quelle: Schiersmann/Weber (Hg.) (2013), Seite 27

Auf der Basis dieses systemischen Kontextmodells von Beratung wurden insgesamt 19 Qualitätsstandards definiert, die sich an die am Beratungsgeschehen direkt oder indirekt beteiligten und zusammenwirkenden Akteurssysteme richten – Beratende, Ratsuchende, Organisation und Gesellschaft:

  • auf übergreifende Prinzipien und Wertvorstellungen bezogene Standards (Ü),
  • auf den Beratungsprozess bezogene Standards (P), auf die Beratenden bezogene Standards (B),
  • auf die Beratungsorganisation/Anbieterorganisation bezogene Standards (O),
  • auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Ziele bezogene Standards (G).

Die BeQu-Standards in der Übersicht

Die BeQu-Standards im Überblick

Ü Übergreifende Qualitätsstandards

Ü1 Gute Beratung stellt die Ratsuchenden mit ihren Anliegen, Interessen, Kompetenzen und Potenzialen in den Mittelpunkt.

Ü2 Gute Beratung erfordert grundsätzlich Freiwilligkeit der Inanspruchnahme.

Ü3 Gute Beratung ist für Ratsuchende leicht zugänglich und transparent.

Ü4 Gute Beratung verpflichtet sich auf ethische Prinzipien und wahrt die Rechte der Ratsuchenden.

Ü5 Guter Beratung liegt eine Strategie der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung zugrunde, die im Einklang mit den hier vorgelegten oder vergleichbaren Qualitätsstandards für Beratung steht.

P Beratungsprozessbezogene Qualitätsstandards

P1 Gute Beratung erfordert die gemeinsame Gestaltung einer für das Anliegen und den Rahmen der Beratung förderlichen Beziehung.

P2 Gute Beratung ist ergebnisoffen und erfordert die gemeinsame Klärung der Erwartungen der Ratsuchenden an die Beratung sowie eine Verabredung über Ziel, Weg und angestrebte Ergebnisse des Beratungsprozesses.

P3 Gute Beratung erfordert eine gemeinsame Analyse und Reflexion der Situation der Ratsuchenden sowie ihrer Interessen, Werthaltungen und Ressourcen.

P4 Gute Beratung unterstützt Ratsuchende dabei, aktiv und eigenverantwortlich Lösungsperspektiven zu erarbeiten, Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen.

B Beratungskompetenz- und professionalitätsbezogene Standards

B1 Gute Beratung setzt voraus, dass Beratende zu professionellem beraterischen Handeln befähigt sind. Die erforderlichen Kompetenzen sind in einem Kompetenzprofil für die Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung festgelegt, welches mit den hier vorgelegten Qualitätsstandards für Beratung korrespondiert.

O Organisationale Rahmenbedingungen, Anforderungen und Strategien

O1 Gute Beratung orientiert sich an einem organisationalen Leitbild, das den Auftrag der Beratungsorganisation, ihre Strategie, die Ziele und ethischen Prinzipien ihres Beratungsangebots beschreibt.

O2 Gute Beratung erfordert klar definierte Abläufe, Prozesse und Verantwortungsbereiche, die die Beratung als eine kommunikative soziale Dienstleistung unterstützen.

O3 Gute Beratung erfordert eine konstruktive und partizipative Kommunikations- und Kooperationskultur innerhalb der Beratungsorganisation.

O4 Gute Beratung erfordert eine personelle und materielle Ausstattung, die den jeweiligen Beratungsangeboten und den hier vorgelegten Qualitätsstandards angemessen ist.

O5 Gute Beratung erfordert eine gute Zusammenarbeit der Beratungsorganisation mit ihren Partnerorganisationen und weiteren relevanten Akteuren im gesellschaftlichen Umfeld.

G Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Ziele

G1 Gute Beratung berücksichtigt neben der individuellen Situation der Ratsuchenden die relevanten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und aktuellen Entwicklungen des Bildungswesens, der Berufe und des Arbeitsmarktes und vermittelt Ratsuchenden den geeigneten Zugang zu solchem Wissen.

G2 Gute Beratung befähigt Ratsuchende zu einer eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer bildungs- und berufsbiografischen Entwicklungsprozesse (Selbstorganisationsfähigkeit).

G3 Gute Beratung unterstützt Ratsuchende bei der nachhaltigen Verfolgung und Umsetzung ihrer Bildungs-, Berufs- und Beschäftigungsziele.

G4 Gute Beratung fördert die gesellschaftliche Teilhabe und Gleichstellung tendenziell benachteiligter Personengruppen, insbesondere auch in Hinblick auf Geschlecht, Alter, Behinderung, kulturelle und ethnische Herkunft (Inklusion).