Nachruf auf Theodor Verhoeven

„Theo hat die Gruppe verlassen.“ Nichts anderes zeigte mir so schonungslos wie diese emotionslose, automatisierte WhatsApp-Nachricht, dass Theodor Verhoeven, langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Forums Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb) verstorben ist. Er erlag am 7. Mai 2021 im Alter von 75 Jahren den Folgen einer schweren Corona-Erkrankung.

Wir trauern um einen Menschen, der bescheiden und zugewandt war, der sich um andere sorgte, der ein Mittler war bei konträren Auseinandersetzungen, dessen Wort galt. Auf Theo Verhoeven konnte man sich jederzeit verlassen. 

Theo Verhoeven war auch ein Mensch, der sich vielseitig interessierte: Theater, Musik, Literatur – wie anregend konnte er über Kulturveranstaltungen erzählen, so dass es eine Freude war, ihm zuzuhören.

Für das nfb war Theo Verhoeven eine bereichernde Person, die eine große Lücke hinterlässt.

Zum nfb stieß Theo Verhoeven im Rahmen des Verbundvorhabens „Beratungsqualität“, welches der Verband zusammen mit der Forschungsgruppe Beratungsqualität am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg (IBW) durchgeführt hat. Es wurden Expert:innen gesucht, die in zwei Arbeitsgruppen zu Qualitätsstandards in der Beratung bzw. zu  der Entwicklung und Erprobung eines Qualitätsentwicklungsrahmens (QER) mit der Methode  der  offenen  Koordinierung einen gesellschaftlichen Verständigungsprozess über  Qualitätsanforderungen  für  Beratung herbeiführen sollten.  Dabei waren ausgewiesene Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis, aus Berufsverbänden, Organisationen und aus der Politik.

Theo Verhoeven war damals Referent im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen für die Berufliche Weiterbildung. Seine Arbeitsschwerpunkte waren u.a. Lebens- und berufsbegleitendes Lernen sowie die Weiterbildungsberatung. Und auch nach dem Erreichen der Altersgrenze, als er für das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW noch weiterhin als teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter tätig war, begleitete er in seinem Aufgabenbereich Initiativen zur Verbesserung und Professionalisierung und Qualitätssteigerung in der Weiterbildungsberatung sowie den Aufbau und die Implementierung des „Service- und Beratungsportals“ für die berufliche Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen.

Insofern war er prädestiniert für unser „BeQu-Projekt“, wo er im Arbeitskreis für die Entwicklung und Erprobung des QER mitarbeitete. Auch anschließend war er maßgeblich an der organisatorischen und inhaltlichen Durchführung der sogenannten „Runden Tische“ beteiligt, an denen in Fortführung der koordinierten Verständigung, weitere Akteure auf Länder- und Bundesebene in den Prozess einbezogen wurden.

Zu diesem Zeitpunkt war Theo Verhoeven, nun Rentner, bereits stellvertretender Vorsitzender des nfb. Die Mitgliederversammlung hatte ihn 2012 gewählt.

Das nfb hätte sich keinen besseren wünschen können. Nicht nur, dass er mit Herz und Verstand für eine qualitätsvolle Bildungs- und Berufsberatung eingetreten ist. Seine Berufserfahrung, aber auch seine Ausbildungsbiografie ermöglichten es ihm, die zahlreichen Facetten der Bildungs- und Berufsberatung aus politischer, theoretischer aber auch aus biografischer Sicht in das nfb einzubringen:

Nein, Theo Verhoeven war kein „Ministerialer“, der Entscheidungen aus einem Schreibtischwissen heraus getroffen hat. Er war ein Mann, der aus eigener Erfahrung wusste, wovon er sprach.

Als Industriekaufmann war es ihm durch eine Begabtenprüfung möglich, an der Pädagogischen Hochschule Ruhr in Dortmund zu studieren. Nach dem 1. und 2. Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen absolvierte er noch ein Aufbaustudium zum Diplom-Pädagogen. Lehrer, stellvertretender Seminarleiter, Schulleiter, engagiert in der Lehreraus- und -fortbildung kannte Theo Verhoeven Schule und die Notwendigkeit von Bildung „von der Pike an“.

Als Schulamtsdirektor der unteren Schulaufsicht in Duisburg und später als Dezernent der oberen Schulaufsicht für die Sekundarstufe I in der Bezirksregierung Düsseldorf bearbeitete er Themen wie die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, den Einsatz ausländischer Lehrkräfte, Berufsorientierung, Übergang Schule-Beruf, Schulberatung und Schulpsychologischer Dienst,

Von 1995 an setzte er in der Bildungspolitik von Nordrhein-Westfalen als Regierungsdirektor Akzente in „seinen“ Bereichen: dem Lebenslangen Lernen, dem 2. Bildungsweg, der Qualitätssicherung in der Weiterbildung und – natürlich – der Bildungsberatung.

Das nfb hat so viel von seinen Erfahrungen und Einschätzungen profitiert. Gespräche mit Politiker:innen auf Bundesebene hat Theo Verhoeven vorbereitet und mit durchgeführt. Hier war seine Erfahrung als „Ministerialer“ von großem Vorteil. Denn Theo Verhoeven wusste, was wie wo gefragt und gesagt werden konnte.

Intensiv hat Theo Verhoeven auch an den „Trägerübergreifenden Beratungsstandards“ der BAR (Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation) mitgearbeitet. Dieses Engagement war die Grundlage dafür, dass er später das nfb im Fokus-Team Qualitätsstandards der Fachstelle EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung) bei der Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung (gsub) vertreten hat. Im Fokus-Team hat er im Rahmen des neuen Teilhabegesetzes den Aufbau der neuen Beratungsstruktur zur „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ begleitet und dabei Instrumente zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung mit entwickelt.

Theo Verhoeven hat das nfb auch beim InfoWeb Weiterbildung (IWWB) vertreten, einer Arbeitsgemeinschaft, die die Vernetzung von Akteuren in der Weiterbildung vorangetrieben hat, für die Verbesserung der Informationsqualität im Weiterbildungsbereich eintritt und eine Meta-Suchmaschine für den gesamten Weiterbildungsbereich – auch für die Weiterbildungsberatung – entwickelt hat.

Neben seiner Tätigkeit für das nfb war Theo Verhoeven in den vergangenen Jahren als Senior Expert und Berater vor allem im östlichen Europa tätig, um dort sein Wissen zur beruflichen Bildung zu teilen. Zuhause in Wesel hat er mit viel ehrenamtlichen Engagement und Herzblut Jugendliche bis zum Schulabschluss begleitet.

Wir trauern mit seiner Frau, die er in den vergangenen Jahren liebevoll umsorgt hat, seinen Kindern und Enkelkindern um den Familienmenschen Theo Verhoeven.

Wir vermissen ihn und werden ihn nicht vergessen.

Barbara Lampe, nfb-Vorsitzende